Nicht nur die geschätzte Anzahl allein – über 25 000 Stück –, sondern auch die Vielfalt der Programmhefte, die das Tanzarchiv in seinen Beständen aufbewahrt, imponiert. Die frühesten originalen Exemplare im Tanzarchiv, die mehr als nur ein Libretto sind und nicht nur ein konkretes Aufführungsdatum nennen, sondern


auch die Rollen und ihre Besetzungen, datieren aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Im 19. Jahrhundert und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Programme zu Tanzaufführungen meist in den Tageszeitungen quasi als Anzeigen abgedruckt und vergrößert als Plakate und Anschlagzettel für den Aushang (z. B. in einem Schaukasten beim Eingang des Theaters) hergestellt. Kurz darauf setzten sich wieder die eigenständigen Theaterzettel, die jeder Zuschauer erwerben konnte, und ganze, einzeln geheftete oder gebundene Programmhefte mit weiterführenden Informationen durch. Letztere konnten z.B. Monatsprogramme eines Theaters oder Programmhefte zu einem Ballett mit einem aktuellen Besetzungszettel für die konkrete Aufführung sein.

Im digitalen Zeitalter sind sie oft umfangreich, aufwendig in der Produktion, mit veredelten Umschlägen und Kunststoffhüllen sowie mit Postkarten als Beilage. Die herausgebenden Theater nennen sie auch „Programmbücher“, und nichts deutet auf ein ephemeres Medium hin.

Seit dem frühen 20. Jahrhundert werden Programmhefte zumeist von den Dramaturgen der Theater gestaltet. Originalbeiträge namhafter Tanzkritiker*innen finden darin ihren Platz; sie werden mit Fotografien, Kostümfigurinen und Bühnenbildentwürfen illustriert. Ein Stich aus dem historischen Bestand des DTK zeigt beim Libretto das „indische Kostüm“ einer Darstellerin des Balletts Triomphe d’amour von Isaac de Bensérade (1680).  Ein von Oskar Schlemmer gestaltetes Programm des von ihm gemeinsam mit den Stuttgarter Tänzern Albert Burger und Elsa Hötzel entwickelten Triadischen Balletts, aufgeführt während der Bauhaus-Woche in Weimar (August 1923), erwähnt selbstredend auch den Schöpfer der „starren Kostüme“.

Für Tanzschulen sind Programmhefte wirksame Werbemittel. So ist es nicht verwunderlich, dass ein 40-seitiger, als „Schul-Programm“ angekündigter Prospekt die Wiedereröffnung der Wigman-Schule in Dresden zelebriert und dabei nicht nur die Kernansätze der Lehre und das Team vorstellt, sondern den Neubau mit seiner Erweiterung in Fotos und Plänen detailliert zeigt: Man schrieb das Jahr 1927, und das Neue Bauen war zu diesem Zeitpunkt fachlich in aller Munde.

Kurzum: Über alle Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gab es Anlässe, um Programmhefte aufwändig zu gestalten. Im ersten Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg waren jedoch Ressourcen knapp, und so gibt es neben handschriftlichen Programmentwürfen beispielsweise von Dore Hoyer auch hand- oder maschinenschriftlich vervielfältigte Programmzettel.

Von einer gewissen Kargheit geprägt waren später dann die Programmhefte von Pina Bausch und dem Tanztheater Wuppertal ab den 1970er Jahren. Aus Kinderfotos der Mitglieder des Tanzensembles vor dem Weihnachtsbaum besteht das Heft von Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört. Bisweilen diente ein einziges, titelloses und mehrfach gefaltetes Blatt, z.B. bei „Rough Cut“ als Heft, unverändert über die Jahre. Nur der Besetzungszettel – ebenfalls ohne den Titel des Tanzstücks – wurde bei Bedarf aktualisiert und mit dem Kopiergerät vervielfältigt.

Jenseits des visuellen Aspektes sind Programmhefte eine der wichtigsten Quellen für die Dokumentation darüber, wer wo und wann und in welcher Rolle getanzt hat beziehungsweise wie vielfältig die Karriere mancher Tänzer gewesen ist und wer buchstäblich „Schule gemacht hat“. Daher sind auch die vielleicht etwas weniger künstlerischen Bereiche des Bühnentanzes wie Revue und Varieté im Programmheft­bestand des Deutschen Tanzarchivs Köln gut vertreten.

Im Archiv können die Programmhefte ab 1945 innerhalb der Öffnungszeiten des Archivs ohne Anmeldung zur Einsichtnahme vorgelegt werden, während die historischen Bestände nur nach Voranmeldung und Terminabsprache einsehbar sind.