von Frank-Manuel Peter

Kein Zweifel, sie war ein Star. Doch während der Ruhm La Janas als Bühnentänzerin, die in Revuen von Herman Haller, Erik Charell und bei Max Reinhardt (z.B. in der Schönen Helena [1]) Erfolge feierte, längst verblasste, ist die Filmtänzerin und -schauspielerin La Jana der Öffentlichkeit noch heute ein Begriff. In 25 Filmen hat sie mitgewirkt, und ihre berühmtesten Rollen hatte sie 1936 bis 1939 in Truxa, Der Tiger von Eschnapur, Das indische Grabmal, Es leuchten die Sterne und Stern von Rio. La Jana, die eigentlich Henriette Hiebel hieß, starb im Frühjahr 1940 an einer Lungenentzündung auf der Höhe ihres Ruhmes im Alter von nur 35 Jahren.

La Jana. La Jana.
© Deutsches Tanzarchiv Köln
La Jana.

Die Entstehung des La-Jana-Archivs im Deutschen Tanzarchiv Köln zeigt exemplarisch, daß nicht nur durch einen konzentrierten, bei der Familie aufbewahrten Nachlass oder einen vom Künstler zu Lebzeiten übergebenen „Vorlass“, sondern auch aus vielfältigen anderen Quellen ein beachtenswerter, für die Forschung relevanter Bestand anwachsen kann. 

Welche Materialien das 1943 in Berlin verbrannte Tanzarchiv zu ihrer Person besaß, kann nicht mehr ermittelt werden. Kurt Peters (1915-1996), der 1948 in Hamburg mit dem Aufbau eines neuen Tanzarchivs begann und dies 1985 in Köln aus seiner privaten Trägerschaft der Öffentlichkeit übergab, hatte selbstverständlich bereits einige Ausschnitte und Filmprogramme zu La Jana im Tanzarchiv gesammelt. Etwa 1987 initiierte der Fotograf, Entertainer sowie Film- und Theatersammler Max Kohlhaas (1936-2007) den Ausbau dieser Bestände zu einer La Jana-Sammlung durch Schenkung eines seltenen Privatfotos von La Jana mit persönlicher Widmung an ihren nicht minder prominenten Kollegen aus der Ballettwelt, Anton Dolin (1904-1983): „Meinem lieben „Dolin“ mit herzlichem Dank für drei Monate wunderbarsten Zusammentanzens La Jana Berlin d. 20.2.[19]32“. Beide hatten 1931/32 – gemeinsam mit Nini

La Jana im Alter von 14 Jahren. La Jana im Alter von 14 Jahren.
© Deutsches Tanzarchiv Köln
La Jana im Alter von 14 Jahren.

Theilade, Brigitte Hartwig (Vera Zorina), Tamara Desni, Alexander von Swaine, Kyra Nijinsky und Maria Solveg – in Choreographien von Dolin und Bronislawa Nijinska(ja) in Reinhardts Inszenierung von Offenbachs Hoffmanns Erzählungen getanzt. Dolin hatte dieses Foto einst einem befreundeten Pianisten geschenkt, der es später Max Kohlhaas vererbte, und dieser fand, daß La Jana nach so vielen Jahren nun endlich zum Sammlungsauftrag einer öffentlichen Institution gehören und dort – im Deutschen Tanzarchiv Köln – den ihr gebührenden „offiziellen“ Platz finden sollte. Auch der mit Max Kohlhaas befreundete Cineast Werner Mohr schloß sich bald dieser Auffassung an und begann mit einem signierten Aushang-Filmfoto, die neue La-Jana-Sammlung im DTK zu unterstützen; weitere Fotos, Postkarten und sonstige Dokumente schenkte er dem Archiv im Laufe der folgenden Jahre.

La Jana in einem Kostüm der Haller-Revue ‚An und Aus‘, 1926. La Jana in einem Kostüm der Haller-Revue „An und Aus“, 1926.
© Schneider / Deutsches Tanzarchiv Köln
La Jana in einem Kostüm der Haller-Revue ‚An und Aus‘, 1926.

Bei der Auflösung und dem Einzelverkauf eines Wiener Pressebildarchivs konnte das Tanzarchiv 1995 einige seltene Vintage-Fotografien aus Wien von La Jana erwerben. Sie stammen aus den Jahren 1926/1927 und wurden insbesondere für illustrierte Magazine angefertigt. Auf einem trägt La Jana ein gemustertes, durchsichtiges Gewand und hat eine lange Perlenkette seitwärts über den Oberarm gelegt. Auf einem anderen Foto neckt „die reizende Tänzerin La Jana“, „Star der Haller-Revuen“ (Bildbeschriftungen) einen vor ihr sitzenden Teddybären mit der Schuhspitze – die Assoziation, dass Männer ihr wie Spielzeug „zu Füßen liegen“, war sicher intendiert. Das Kostüm, so ist aus der Unterschrift eines zugeordneten Zeitschriften-Ausschnittes aus dem

La Jana in einem Kostüm der Haller-Revue ‚An und Aus‘, 1926. La Jana in einem Kostüm der Haller-Revue „An und Aus“, 1926.
© Ernst Förster / Deutsches Tanzarchiv Köln
La Jana in einem Kostüm der Haller-Revue ‚An und Aus‘, 1926.

ehemaligen Kölner Bildarchiv Faßbender ersichtlich, trug sie – eine der Hauptattraktionen – sonst als „Saxophon-Girl“ in der „Haller-Symphonie“, dem berauschenden Finale der Haller-Revue An und Aus (1926).

Im Dezember 1999 erhielt das Tanzarchiv aus dem Nachlaß von Marianne Schwickerath aus Koblenz eine umfangreiche La-Jana-Sammlung mit Programmen, Kritiken, Postkarten, Zigarettensammelbildern und Fotos. Frau Schwickerath war ganz offensichtlich seit ihrer Jugend ein begeisterter Fan von La Jana gewesen, und ihre Familie wollte die von ihr zusammengetragenen Dokumente gerne zum Andenken an La Jana einer öffentlichen Sammlung geben.

Durch diese und vereinzelte, weniger umfangreiche Bestandserweiterungen bereits zu einem kleinen La-Jana-Archiv herangewachsen, fand die Sammlung das Interesse der Forschung. La Janas Biographin Helena Lehmann hat nicht nur den damaligen Bestand des Tanzarchivs ausgewertet, sondern fand bei ihren Recherchen auch einen Teilnachlaß La Janas bei Ulrich Petri aus Niedernhausen/Taunusstein, der ihn einst direkt von der Familie (La Janas Schwester Anny war Schauspielerin) erhalten hatte. Schon 2003 hatte der Filmhistoriker Eberhard Spiess dem Archiv einige Dokumente von Anny Hiebel übergeben. Im Oktober 2007 und im Januar 2008 schenkte nun Ulrich Petri den Teilnachlass an das Deutsche Tanzarchiv Köln. Dieser wunderbare Bestand umfasst vor

Zeitschriftentitelblatt der ‚Eleganten Welt‘ mit La Jana 1927. Zeitschriftentitelblatt der „Eleganten Welt“ mit La Jana 1927.
Zeitschriftentitelblatt der ‚Eleganten Welt‘ mit La Jana 1927.

allem Tanzfotografien und Privatfotos seit der Jugend, eine ganze Sammlung mit abgedruckten Fotos von La Jana, z.B. als seltene Illustriertentitelblätter aus Schweden und Holland, etliche Kritiken, einige Bücher mit Widmungen an La Jana (z.B. vom Kronprinzen Wilhelm „meiner kleinen Feeenkönigin“ [sic]) sowie einige wenige Telegramme (vom Londoner Theaterdirektor Charles B. Chochran: „I feel deeply indebted to you…“ oder von Max Reinhardt: „Hoere erschrocken dass weiteres auftreten nur fuer wenige tage zugesichert moechte sie noch persoenlich herzlich bitten…“) und einen Brief des Architekten und Kunsttheoretikers Paul Schultze-Naumburg von 1938, der sie um Aktfotos für die nächste Auflage seines neuen Buches bittet: „Vielleicht könnten Sie mir hier helfen, da Sie ja einen Körper besitzen, der gerade das nordische Ideal in seltener Vollkommenheit darstellt.“

Nach dem überraschenden Tod des Sammlers Max Kohlhaas im Oktober 2007 kam fast gleichzeitig zur Schenkung von La Janas Teilnachlass seine umfangreiche La Jana-Sammlung zum Tanzarchiv. Sie enthält neben Fotos und Postkarten vor allem eine 13 Ordner umfassende detaillierte Pressedokumentation ihrer Bühnen- und Filmauftritte. Nur selten ist jedoch die Pressesammlung zu einem Ereignis wirklich vollständig, es sei denn, es wurde ein Zeitungsausschnittdienst beauftragt. Als jüngste Erweiterung des La Jana-Archivs konnte das Deutsche Tanzarchiv Köln eine Sammlung von 152 Nachrufen auf La Jana erwerben, die 1940 das Zeitungs-Ausschnitt-Büro „Metropol-Gesellschaft“ angelegt hatte. 

Über La Jana informiert am besten die Biographie, die Helena Lehmann 2008 veröffentlicht hat. Darüber hinaus sind speziellere Recherchen im Tanzarchiv möglich und sinnvoll, denn auch das schönste Buch kann nicht jedes Dokument eines Künstlerlebens abbilden (auch Filmhistoriker könnten etwas finden, z.B. ein Plakat des Stummfilms Gaunerliebchen, in dem La Jana 1928 die weibliche Hauptrolle spielte, in der schwedischen Fassung als Polisens Lockbete). Und da Tanzforschung keine ausschließlich theoretische Forschung ist, nutzen auch die Tanzstudenten der Kölner Hochschule für Musik und Tanz die Bestände des Deutschen Tanzarchivs Köln; 2006 verfaßte die Tanzstudentin Nicola Gehring eine Seminararbeit über La Jana anhand des bis dahin vorhandenen Materials.

[1] Buffo-Oper mit Musik von Jacques Offenbach, ab 15.6.1930 (Rolle: Venus). In der verbesserten Neueinstudierung („burleske Operette“) dann in der Choreographie von Leonide Massine, einstudiert von Rupert Doone, zusammen mit Nini Theilade, Kyra Nijinsky, Kurt Lenz, Jochen Scheibe und Egon Wüst.