von Frank-Manuel Peter
Der zwischen den nachgelassenen Papieren aufgefundene Brief beginnt mit einer Entschuldigung: "Erst jetzt komme ich unartiges Mädchen dazu..." und endet: "Ich hoffe sehr, Sie in Berlin (wenn ich wieder Anfang December dort eingetrudelt bin) zu sehen. Bis dahin tausend herzliche Grüße von der alten Fairy Queen Lilian". Er wurde zu einer Zeit geschrieben, als man an den Kiosken noch Starpostkarten kaufen konnte, welche die Schreiberin des Briefes und den Empfänger gemeinsam abbildeten: Lilian Harvey und Kurt Lenz. Dieser war Erster Solotänzer am Deutschen Opernhaus Berlin und tanzte damals zugleich in Filmen wie "Schwarze Rosen", "Fanny Elßler", "Hallo Janine" oder "Bal paré".
Bei Alexandra Nikolajewa und Victor Gsovsky in Berlin ausgebildet, hatte Kurt Lenz sein Studium 1932 in London bei Seraphine Astafieva und Tamara Karsavina fortgesetzt. Diese schrieb ihm: "I am very pleased with you and I hope you will continue to work hard as I do want you to become a first rate dancer and I hope you may do so if you persevere." In England wirkte Kurt Lenz etwa in "Job" (unter anderem mit Anton Dolin in der Choreographie von Ninette de Valois) des Vic-Wells Ballet sowie im Ballet Club Theatre von Marie Rambert mit Leonide Massine, bei dem er verschiedene Rollen studierte, vermittelte ihn an Max Reinhardt zurück nach Berlin, wo seine Karriere in der "Schönen Helena" um ein Haar durch einen allzu echten Schlag mit einer Bronzekanne durch Kyra Nijinsky vorzeitig beendet worden wäre.
Mit dem Ballett Victor Gsovsky und mit Eva Brigitta Hartwig als Partnerin, die wenig später als Vera Zorina bekannt wurde, ging Kurt Lenz 1933 auf Europa-Tourneen. Unter Jens Keith tanzte er in der Spielzeit 1934/35 am Essener Theater, anschließend unter Rudolf Kölling am Deutschen Opernhaus Berlin, wo vor allem Ursula Deinert und Daisy Spies seine Partnerinnen waren. Mit letzterer hatter er eine eigene Kammertanzgruppe, in der beispielsweise Lilo Herbeth und Gudrun Leben mitwirkten. 1938 spielte Kurt Lenz, der die englische Sprache liebte, als Gast im English Theatre einen überragenden "Puck" im "Midsummer Night's Dream".
Nach sieben Jahren Kriegsdienst und Gefangenschaft wurde Kurt Lenz von Tatjana Gsovsky an die Berliner Staatsoper verpflichtet; es folgten Engagements am Metropoltheater bis 1961 und beim Fernsehen. Durch seine liebenswerte, zuvorkommende Art und sein bis ins Alter reges und vielseitiges kulturelles Interesse hatte er einen großen Freundeskreis.
Am 6. Juni 1990 ist Kurt Lenz (geboren am 14. Februar 1909 in Kyritz) in Berlin überraschend gestorben. Seine tanzbezüglichen Dokumente, Bücher, Fotos (unter anderem von Genia Rubin) und Porzellanfiguren vermachte er dem Deutschen Tanzarchiv Köln.
"We think and talk of you very often and all miss you and your cheerful ways." (Brief von Tamara Karsavina an Kurt Lenz, 20. Oktober 1932).
(erstveröffentlicht als Nachruf in "Ballett intern", H. 3/1990, S. 44f.).
Foto © Deutsches Tanzarchiv Köln
und einem noch nicht identifizierten weiblichen Mitglied des Gsovsky-Balletts an einem Pas de deux.
Foto © Hans Robertson / Deutsches Tanzarchiv Köln
in dem Tanzspiel „Die alte Komödie“ von Jens Keith an den Städtischen Bühnen Essen, ca. 1934/35.
Foto: © Siegfried Enkelmann / VG BildKunst, Bonn
bei einer Pressekonferenz in der Galerie Jule Hammer oder im Haus am Lützowplatz, Berlin, 30. November 1979
Foto: © N.N. / Deutsches Tanzarchiv Köln
vom Deutschen Opernhaus Berlin mit ihrer Kammertanzgruppe, 25. Dezember 1940.