Recherchiert und verfasst von Nora Böttger, Sirkka Muth und Sabrina-Dunja Sandstede im Rahmen einer Übung im M.A.-Studiengang Tanzwissenschaft (Modul: Historiographie) an der Hochschule für Musik und Tanz Köln im SS 2013.
Max Niehaus (* 17. Dezember 1888 in Wesel, † 8. April 1981 in München) war ein deutscher Schriftsteller, Tanzforscher und Ballettpublizist. Er galt als einer der führenden Repräsentanten der sachlichen modernen Tanzliteratur der 1950er bis 1970er Jahre.
Niehaus studierte Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft sowie Kunstwissenschaft und Kunstgeschichte in Berlin, Kiel und Lausanne und war hauptberuflich als Oberregierungsrat in Wiesbaden tätig.[1] Zudem war er Mitarbeiter am Goethe Institut in München und war dort für deutsche Ballett-Gastspiele im Ausland zuständig. In diesem Rahmen organisierte er 1967 eine große Fern-Ost Tournee, die „Goethe Tournee deutscher Tänzer“, bei der unter anderem Gastspiele in Ägypten und Marokko stattfanden. Nach dem überwältigenden Erfolg wurde die Tournee 1968 fortgesetzt, diesmal mit Station in Malta, Griechenland und Nordafrika. Die internationalen Kontakte und seine Freundschaft zu Sergej Diaghilew und den Ballets Russes sowie zu zahlreichen deutschen und amerikanischen Künstlern ermöglichten ihm einen umfassenden Blick auf die Tanzszene und prägten seine Publikationen. In diesen befasste er sich sowohl mit jungen deutschen Tänzern wie Heinz Bosl, als auch rückblickend mit internationalen Tanzschaffenden wie Isadora Duncan und Vaslav Nijinsky. Außerdem verfasste er für diverse Kongresse, Ausstellungen und Festivals Vorworte zu den jeweiligen Begleitbroschüren und Programmheften. Obwohl er sich intensiv mit der Arbeit des Tanzkritikers auseinandersetzte und sogar 1956 einen Essay verfasste, in dem er detailliert seine Auffassung der Arbeitsmethode eines Ballettkritikers erarbeitete, lassen sich in seinem Nachlass und bisher auch bei ersten weitergehenden Recherchen keinerlei Tanzkritiken von ihm finden. Jedoch nahm er 1960 am Tanzkritikerkongress in Genua teil und unterstützte stets die Entwicklung dieser Sparte.
Niehaus’ Arbeitsweise zeichnete sich durch eine sehr systematische und strukturierte Vorgehensweise aus. Er betrieb empirische Forschung, vollzog statistische Erhebungen und vertrat eine diachrone Tanzgeschichtsschreibung. Als Grundlage seiner Werke fungierten beispielsweise detaillierte Auflistungen der damaligen Handlungsballette und Fragebögen zur Biografie internationaler Tanzschaffender. Insgesamt lassen sich in seinem Nachlass 665 ausgefüllte Fragebögen finden, welche folgendermaßen strukturiert sind: Name, Geburtsort und Geburtsdatum, Tanzausbildung (wo, wann, Stilrichtung, unter welchen Lehrern), Engagements (wo und wann, welche Ballette, welche Rollen) und Tätigkeiten als Choreograf.
Diese Fragebögen fanden zudem Verwendung in seinem seit 1958 jährlich erscheinenden, international renommierten Ballettkalender. Das Renommee des Kalenders verdeutlichte sich in den zahlreichen Fotos, die Niehaus von Tänzern mit der Bitte um Aufnahme unaufgefordert zugesandt bekam. Des Weiteren erhielt Max Niehaus beruflich internationale Anerkennung durch die Organisation und Gestaltung von Ballett-Foto-Ausstellungen in New York, Brüssel, Neapel und München in den 1960er Jahren. Die Besonderheit der Fotos lag darin, dass keine gestellten Posen abgebildet wurden, sondern Momentaufnahmen der Aufführungsprozesse abgelichtet wurden.
Tanz war für Niehaus die Sichtbarmachung der Musik in der Bewegung des Körpers, ein allgemein verständliches und die Kultur dokumentierendes Element. Als herausragend unter den Tanzschaffenden des 20. Jahrhunderts galten für ihn insbesondere Margot Fonteyn, Birgit Keil, Mikhail Baryshnikov, Peter Breuer, Maurice Béjart, Hans van Manen und John Neumeier. Neben seinen Tätigkeiten als Tanzforscher und Ballettpublizist engagierte er sich zudem in zahlreichen Vereinen zur Förderung der Kunst und des Tanzes. Er war Mitbegründer der Vereinigung für junge Kunst und geschäftsführender Vorstand der Ballettgesellschaft München e.V., einem Verein zur Förderung junger Tänzer, um hier nur einige zu nennen.
Niehaus’ Fokus auf das klassische Ballett, seine publizierten Tänzerbiografien, die zahlreichen Fragebögen und seine intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten der Ballette, welche einen Großteil seines Nachlasses ausmachen, zeugen sowohl von den historischen Umständen, als auch von einem Wissenschaftsverständnis, das wenig selbstreflexiv ist. Die Werke und Dokumente in Niehaus’ Nachlass könnte man deshalb vor allem zur Untersuchung nutzen, wie in der damaligen Zeit über Tanz gedacht wurde, wie dieser gefördert wurde und wie die Tänzer und Choreografen sich selbst präsentierten.
[1] Laut eigenem Lebenslauf: „bis 1933. Daneben fortlaufend Kunstkritik in Düsseldorfer und in anderen Zeitungen. Zahlreiche Aufsätze über Kunst in Zeitschriften. Mitbegründer der ‚Vereinigung für junge Kunst‘, […].“ Diese frühen Tätigkeiten sind im Nachlass jedoch nicht nachgewiesen, vermutlich deshalb, weil die Berliner Wohnung von Max Niehaus im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört wurde. Nachweisbar ist im Nachlass jedoch, dass Niehaus mit Künstlern wie Alexej Jawlensky befreundet war, von dem er mehrere Gemälde besaß, und dass er von Otto Dix 1923 porträtiert wurde (Aquarell). [Anmerkung ergänzt durch das DTK]
„Um ein ‚Deutsches Nationalballett‘ aufzuziehen, das mit den ausländischen Truppen konkurrieren kann, halte ich meine Aufstellung für die mindest Mögliche. Mit wenigen Tänzern ‚klein‘ anzufangen würde einen Kammerstil voraussetzen – und man wäre sofort ‚klassiert‘! Um das breite Publikum heranzuziehen (was für sein Geld etwas ‚haben‘ möchte) braucht man unbedingt ein richtiges Corps de ballet. Desgleichen, um das Deutsche Ballett im Ausland präsentieren zu können. Ein kleines Ensemble wird im Wesentlichen nur von den Ballettomanen besucht und man riskiert, vor halbleeren Sälen zu spielen; ein großes Ballett wie Cuevas etc. dagegen zieht viel mehr Publikum an und wird, wenn es gut ist, im Prinzip immer volle Häuser haben. (…)“
© Deutsches Tanzarchiv Köln
“The Ballet festival in Munich is becoming more and more important. I am sure before soon it will become one of the ballet-centers in the world. It was wonderful to dance in your city last year and I hope to come back before too long.“
„…und erlaube ich mir als ‚alte Münchnerin 88 Jahre‘, mich an Sie zu wenden. Bis in mein hohes Alter war mein Leben nur dem Tanz gewidmet zusammen mit meinen Partnern Joachim von Seewitz y [und] Toni Birkmeyer. Es würde mich daher so sehr interessieren, das Buch, das Sie über den Tanz schreiben, kennen zu lernen. Einliegend Fotos von mir, wie ich 25 Jahre alt war und in München getanzt habe.“