von Klaus Sator
Edgar Fritz Theodor von Pelchrzim wurde am 26. Juni 1904 in Ehrang bei Trier als eines von drei Kindern des Ingenieurs Kurt Ernst Silvius von Pelchrzim aus der schlesischen Linie des Adelsgeschlechts gleichen Namens und dessen aus Brüssel stammender Ehefrau Maria Anna van Achter geboren. Er hatte noch einen Bruder und eine Schwester. Seine Jugend verbrachte er in Dresden. Dort besuchte er das bekannte Kreuzgymnasium und erwarb die humanistische Matur.
Im Alter von 15 Jahren hatte von Pelchrzim seinen ersten öffentlichen Auftritt als Geiger bei einer Hochzeit in der Dresdner Kreuzkirche. Als begeisterter Operngänger verspürte er schon früh einen Drang zur Bühne, den Zugang zum Theater fand er zunächst jedoch nur als Statist. Er begann frühzeitig Musik in Bewegung umzusetzen, nicht ahnend, dass daraus ein Beruf werden könnte. Schon als Sekundaner überraschte von Pelchrzim seine fassungslosen Eltern mit selbsterfundenen Bewegungsspielen. Heimlich hatte er während seiner Gymnasialzeit ein Tanzstudium begonnen, das er sich in den Schulferien mit Arbeit im Bergwerk finanzierte.
Seine tänzerische Grundausbildung erhielt er bei Hilde Brumof, damals Solotänzerin an der Staatsoper in Dresden. Weitere Lehrer waren die Wigman-Schülerin Dorothee Baumann, Viktor Gsovsky und Lasar Galpern. Sein Wunsch Tänzer zu werden, stieß nicht nur im Elternhaus auf Unverständnis, auch als professioneller Bühnentänzer musste von Pelchrzim später wiederholt die Erfahrung machen, mit dieser Berufswahl von vielen Zeitgenossen nicht ernst genommen zu werden, worüber er sich in einer Glosse für das Programmheft des Kölner Kabaretts „Kolibri“ einmal ausgelassen hat.
Edgar von Pelchrzim war einer derjenigen Tanzkünstler, die kontinuierlich ein Engagement an staatlichen Bühnen erhielten. Sein erstes Engagement als Tänzer hatte er als Tanzpartner von Claire Eckstein in der Spielzeit 1928/29 am Landestheater Darmstadt, das damals den Ruf hatte, eine Spielstätte der Avantgarde zu sein. Danach war er für neun Spielzeiten als Solotänzer am Kölner Opernhaus (Spielzeiten 1929/30-1937/38) beschäftigt. Für ihn persönlich am interessantesten war das folgende Engagement am Stadttheater Heilbronn (Spielzeit 1938/39), weil er hier nicht nur als Tänzer, sondern auch als Sänger und Schauspieler agieren konnte. Danach wurde er für eine Spielzeit an der Hamburger Staatsoper (Spielzeit 1939/40) engagiert. Anschließend wirkte er für drei Spielzeiten als Ballettmeister am Stadttheater in Aachen (Spielzeiten 1940/41-1942/43). Hier kam es zur künstlerischen Zusammenarbeit mit Herbert von Karajan, der dort als Staatskapellmeister engagiert war. Im Rahmen des deutschen Westfeldzugs begleitet das Aachener Theater im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht als Fronttheater mit der von beiden gestalteten Operettenproduktion „Clivia“ von Niko Dostal die vorrückenden deutschen Truppen mit Gastspielen in Belgien und Frankreich. Nach der Zerstörung der heimischen Spielstätte in Aachen durch alliierte Bombenangriffe im Sommer 1943 kam von Pelchrzim nach Berlin, wo er eine Anstellung am Theater des Volkes und am Rosetheater fand (Spielzeit 1943/44). Nach dem Krieg folgten Engagements als Ballettmeister an zahlreichen deutschen Bühnen, zunächst für zwei Jahre am Opernhaus in Düsseldorf (Spielzeit 1945/46 und 1946/47), dann vier Jahre am Hessischen Staatstheater in Wiesbaden (Spielzeiten 1947/48-1950/51), wo er eng mit dem Komponisten und Ballettdirigenten Hans Werner Henze zusammenarbeitete und die Uraufführung von dessen Ballett „Jack Pudding“ choreographierte, eine zeitgenössische Adaption von Moliéres „Georges Dandin“. Danach wirkte von Pelchrzim zwei Jahre an den Bühnen der Hansestadt Lübeck (Spielzeit 1951/52 und 1952/53) und am Ende seiner künstlerischen Laufbahn sechs Jahre am Theater am Domhof in Osnabrück (Spielzeiten 1953/54-1958/59). Bis Anfang der fünfziger Jahre war von Pelchrzim in den von ihm gestalteten Tanzeinlagen auch als Tänzer aufgetreten. Als Gastchoreograph war von Pelchrzim am Centraal Theater in Amsterdam (1938), bei den Gutenberg-Festspielen in Mainz (1939) und am Opernhaus in Malmö (1954) tätig.
Edgar von Pelchrzim genoss unter den Anhängern der Tanzkunst wie auch bei den Freunden von Oper und Operette einen ausgezeichneten Ruf. Sein vielseitiges künstlerisches Schaffen war bestimmt vom Suchen nach immer wieder neuen Stilformen und Ausdrucksmitteln für den Bühnentanz. Als Tänzer bestach er vor allem mit den von ihm dargebotenen Tanzpantomimen. Die zeitgenössische Kritik sah in Edgar von Pelchrzim einen „Meister der Groteske“. Eine Reihe seiner als Choreograph und Ballettmeister zu verantwortenden Ur- und Erstaufführungen fanden überregionale Beachtung. Sein vielseitiges künstlerisches Schaffen umfasst die Choreographie und Tanzleitung von zahlreichen zeitgenössischen Balletten (u.a. Der Dreispitz, Der Feuervogel, Peter und der Wolf), des modernen Tanztheaters (u.a. Der Teufel im Dorf, Fest im Süden, Jack Pudding), des traditionellen Opernrepertoires (u.a. Aida, Carmen, Don Giovanni) sowie der Tanzeinlagen zu einigen Schauspielen (u.a. Ein Sommernachtstraum, Der eingebildete Kranke). Vor allem zeichnete Edgar von Pelchrzim jedoch für die Tanzszenen zahlreicher der zu seiner Zeit ausgesprochen populären Operetten verantwortlich, von denen er im Laufe der Jahre die Choreographien zu 39 Werken (u.a. Die Blume von Hawaii, Die Fledermaus, Die lustige Witwe, Maske in Blau, Wiener Blut) gestaltete. An der Ausgestaltung des „Rosenkavaliers“ von Richard Strauß war er über Jahrzehnte hinweg als Tänzer, Choreograph oder Ballettmeister beteiligt.
Um das bescheidene Einkommen als Tanzkünstler an städtischen Bühnen aufzubessern, gestaltete von Pelchrzim auch Varietéprogramme. Während der Theaterferien tourte er z.B. wiederholt mit einigen Kollegen der Kölner Oper, darunter seine zeitweilige Tanzpartnerin Elfriede Scheurer, als „Gruppe rheinischer Tänzer“ bzw. „6 Solisten des Kölner Opernballetts“ mit Programmen wie „Wir tanzen durch Deutschland“ durch heimische Bäder- und Kurorte, um die Zuschauer mit heiteren Tänzen und Tanzpantomimen zu unterhalten. Und er unternahm Tanztourneen mit seiner eigenen Gruppe, mit der er u.a. auf der Pariser Weltausstellung von 1937 auftrat.
Aufgrund gewisser äußerlicher Ähnlichkeiten wurde Edgar von Pelchrzim, den viele wegen seines schwer auszusprechenden Namens häufig nur „Pelch“ nannten, in der Öffentlichkeit manchmal mit Harald Kreutzberg verwechselt. Das äußere Markenzeichen beider war lange Zeit ein kahlgeschorener Schädel. Im Kollegenkreis wurde von Pelchrzim deshalb manchmal auch der „zweite Harald“ genannt. Ein bei einer persönlichen Begegnung zwischen beiden von Kreutzberg angeregter gemeinsamer Tanzauftritt kam jedoch nie zustande.
Nach dem Ende seiner Künstlerkarriere kehrte von Pelchrzim zurück ins Rheinland, wo seine Familie sich in Forsbach bei Rösrath niedergelassen hatte und über Jahre hinweg seine ständige Anschrift war. Seinen Lebensabend verbrachte er in Köln, wo er am 12. März 1990 im Alter von 85 Jahren verstarb.
und Partnerin in der Variété-Parodie „Die große Luftnummer“.
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(in Düsseldorf).
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