Zur Bestandsübersicht: Nr. 364 Sabine Ress
Von Eva Bülow**
Nur allzu leicht wird man auf eine Tätigkeit festgelegt, mit der man sich in breitester Öffentlichkeit zur Diskussion stellt. Sabine Ress jedoch lediglich als Filmchoreographin anzusehen, hieße ihr wesentliches Wirken verkennen. Selten hat eine so hervorragende Choreographin und Pädagogin so wenig "aus sich gemacht". Wer ihren Takt und ihre Bescheidenheit kennt, der weiß diesen liebenswerten Fehler an ihr zu schätzen. Nicht umsonst wird sie von allen verehrt, die am Film oder am Theater unter ihrer Leitung gearbeitet haben, denn selten nur findet man in einem künstlerischen Vorstand so viel menschliches Verständnis und soviel Hilfsbereitschaft mit wirklichem Können vereint. Ihre eigene Ruhe und Geduld bei den härtesten Proben läßt auch nicht einen Tänzer die Lust verlieren, und wer die öden "Einstellungen" der Drehtage kennt, der weiß, was das heißt. Da suchen die großen Opernhäuser nach Choreographen. Sie gewinnen keine Tatjana Gsovsky und – keine Sabine Ress! Dabei ist sie im Grunde theaterbesessen wie jede Choreographin von Format. Ihre Jahre an der Komischen Oper, die Zeit ihres eigenen Ballettensembles, ihre "Liebeszauber", "Gaunerstreiche", "Les Animaux modèles", "Wettstreit der Ballerinen"-Inszenierungen, um nur einige zu nennen, haben das bewiesen. Die Jahre am Nollendorf Theater unter Harald Paulsen, die "Goldinis" im Hebbel-Theater, ihre Arbeit für Jürgen Fehling am Künstlertheater und nennen wir noch die Volksbühne und das Theater am Kurfürstendamm, dann ist die Vielseitigkeit ihres Wirkens und der Aufgaben mehr als genug umrissen. – Eine ihrer Schülerinnen war Natascha Trofimowa, und viele andere gute Solistinnen weisen auf die pädagogischen Qualitäten der Ress-Schule zurück. Pädagoge, Choreograph und ein Mensch mit Charme – – – Sabine.
* Zuerst erschienen in Das Tanzarchiv, 2. Jg. Nr. 5 / Oktober 1954, S. 22. ** Die Autorin, Tänzerin und Tanzpädagogin (1924–2017), war zu dieser Zeit mit Kurt Peters verheiratet. Sie nannte sich als Mitglied der "Abraxas"-Kommpanie von Helge Peters-Pawlinin nach einer Lehrerin aus ihrer Kindheit Violet Shore. Von 1956 bis 1960 war sie Choreographin und Ballettmeisterin am Gärtnerplatztheater in München.