von Anna Mühlberger auf der Basis der Monographie von Lini Hübsch-Pfleger und der Archivalien
Geboren am 10. Juli 1891 in St. Petersburg als eines der fünf Kinder des Arztes August v. Schrenck und seiner Frau Elsbeth, wird Edith v. Schrenck am dortigen Konservatorium zunächst zur Pianistin ausgebildet. Für Rhythmik und Tanz interessiert sie sich, seit sie in einer Schulaufführung Emile Jaques-Dalcroze und seine Arbeit kennengelernt hat. Diese Begegnung mit einem der großen Wegbereiter für den Ausdruckstanz der 1920/30er Jahre beeinflußt das weitere Leben Edith v. Schrencks nachhaltig. Nach zweijährigem Studium an seiner berühmten „Bildungsanstalt“ in Hellerau bei Dresden ist sie in St. Petersburg selbst als Dalcroze-Dozentin tätig. Edith v. Schrenck geht jedoch auch tanzkünstlerisch frühzeitig ihren eigenen Weg. So läßt sie sich etwa von der Zusammenarbeit mit der Schauspielerin Claudia Issatschenko (Schülerin von Stanislawski und Mutter der später als Choreographin berühmten Tatjana Gsovsky) inspirieren und verinnerlicht diese ganz eigene Art des Körperbewußtseins und -ausdrucks. Noch während ihrer Zeit in St. Petersburg veranstaltet Edith v. Schrenck eigene Tanzvorstellungen, mit denen sie erste, beachtliche Erfolge erzielt.
Im Zuge der Oktoberrevolution 1917 verläßt Edith v. Schrenck mit ihrer Familie Rußland. Von München aus startet sie ihre westeuropäische Tanzkarriere und debütiert nach etwa einem Jahr intensiver eigener Tanzstudien in den Kammerspielen, um schon bald mit ihren Solotänzen auf Tournee zu gehen. Im Mai 1919 trifft sie während eines Gastspiels in Frankfurt am Main auf den erfolgreichen Autor Waldemar Bonsels, welcher für sie zur großen Lebensliebe und zum Mentor wird. Aus dieser z.T. schwierigen und belasteten, aber auch intensiven und inspirierenden Beziehung geht der gemeinsame Sohn Kay (8.10.1920) hervor. Er wächst - da seine Mutter ihre Tanzkarriere auch nach der Geburt nahezu uneingeschränkt ausübt und mit dem selber höchst aktiven Bonsels zumeist getrennte Wege geht - bei dessen damaliger Ehefrau Lise Ostermeyer und seinen Halbbrüdern auf.
In Ambach am Starnberger See findet Edith v. Schrenck schließlich ein neues Zuhause und sucht von dort aus nach immer neuen Möglichkeiten, sich künstlerisch auszudrücken und zu vollenden. Großes Interesse hegt sie nach wie vor für die Schauspielkunst, beschäftigt sich aber auch mit dem Gedanken, nun erstmalig gemeinsam in und mit einer Tanzgruppe zu arbeiten - wie etwa der Haas-Berkow-Gruppe - und mit den Tänzerinnen Niddy Impekoven oder Sent M'ahesa einen gemeinsamen Tanzabend zu gestalten. Auch der Gedanke, eine eigene Tanzschule zu gründen, in der sie ihre Methode, die auf dem Gedankengut von Dalcroze und François Delsarte fußt, weitergeben und ausbauen könnte, reizt sie sehr, was sie jedoch erst im Februar 1929 in Berlin verwirklicht.
In ihrer immer wieder konstatierten künstlerischen Einzigartigkeit erntet Edith v. Schrenck neben Beifall häufig auch Kritik, und dann ist es vor allem ihr Vertrauter Bonsels, der sie aufrichtet, ermuntert oder ihr einfach durch seine weit reichenden Verbindungen zu diversen Engagements und wichtigen Beziehungen verhilft und ihr den Weg in die Öffentlichkeit ebnet. Er schreibt auch selbst über sie, beispielsweise: „Sie erhebt sich aus dem Wirrsal, aus der Mühe und dem Streben dieser Tage der Tanzkunst, vielleicht auch als ihr Wipfel, sicherlich aber ohne Vorfahren und ohne Nachahmung […].“
Während der zweieinhalb Jahrzehnte, in denen Edith v. Schrencks Leben vor allem aus Reisen und Tourneen besteht, gastiert sie schließlich in allen Teilen Deutschlands - wobei vor allem die Städte München, Berlin und Stuttgart wichtig für sie werden - und weitet mit der Zeit ihre Gastspiele auch ins Ausland nach Rußland, Skandinavien, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden aus.
Immer wieder wirken sich Erholungs- und Fortbildungsaufenthalte in Ferienorten auf die berufliche Entwicklung aus. 1926 lernt Edith v. Schrenck auf der Insel Juist, wo sie selbst Tanzabende im Kurhaus veranstaltet, Martin Luserke kennen und schätzen, der hier ein Jahr zuvor seine „Schule am Meer“ gegründet hat. 1929 verbringt sie die Sommermonate auf Schloß Elmau in Oberbayern, wo sie unter anderem auf den dänischen Sänger (Erwin?) Bergh, dessen Frau und den Dirigenten Hans Oppenheim trifft. Gemeinsam wollen sie die „Junge Bühne“ in Breslau gründen, welche eine Opernschule mit angeschlossenem Tanzstudio werden soll. Obwohl alle Beteiligten voll Enthusiasmus an die Umsetzung ihres Planes gehen und etwa eine Programmschrift veröffentlichen, scheitert ihr Breslauer Projekt. Vor allem die weitere politische Entwicklung in Deutschland verhindert eine Realisation, da Bergh als Däne Ausländer und der für die gesamte musikalische Leitung verantwortliche Musiker (Oppenheim?) Jude ist.
Resigniert versucht Edith v. Schrenck nun erneut in München ihr Glück, indem sie auch hier ihr eigenes Tanzstudio eröffnet. Wenige Jahre später, 1934, erreicht sie dann ein Angebot, in Stuttgart sowohl eigene Tanzabende zu veranstalten, als auch an der Volkshochschule tätig zu sein. Edith v. Schrenck nimmt dies für zwei Jahre an, bevor sie 1936 gemeinsam mit ihrem Sohn nach Berlin zieht. Hier belegt sie mehrfach Kurse bei Max Terpis, dem ehemaligen Ballettdirektor der Staatsoper. Außerdem versucht sie, nun auch andere berufliche Perspektiven für sich zu erschließen und beschäftigt sich intensiv mit Heilgymnastik und dem anatomisch-therapeutischen Aspekt des Tanzes. Sie absolviert einen physiotherapeutischen Kurs an der Marquartsteiner Gymnastikschule in Hiddensee und erhält ein Zertifikat, welches sie zur beruflichen Ausübung berechtigt. Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges eröffnet sich für Edith v. Schrenck glücklicherweise die Möglichkeit einer Anstellung an der Tanzschule von Anneliese v. Oettingen. Zusätzlich absolviert sie im September 1939 beim Roten Kreuz einen Kurs als Krankenpflegerin.
Am 15.7.1941 fällt ihr Sohn Kay v. Schrenck in der Ukraine, im November 1943 verliert Edith v. Schrenck bei einem Bombenangriff auf Berlin Hab und Gut. Ihr Status als „russische Emigrantin“ vereitelt ihre Bemühungen, im Ostsektor Berlins beruflich Fuß zu fassen. Ein Jahrzehnt nach dem Verlust ihres geliebten Sohnes geht dann auch der zweite zentrale Mensch im Leben Ediths, denn am 31. Juli 1952 erliegt Bonsels seiner langen schweren Krankheit. Wenige Jahre später zieht Edith v. Schrenck zurück zu ihrer Schwester Maja, die für Bonsels als Sekretärin gearbeitet hatte, nach Ambach am Starnberger See. Am 30.7.1971 stirbt sie in einem Heim in der Nähe Münchens.
Lini Hübsch-Pfleger: Waldemar Bonsels und die Tänzerin Edith von Schrenck. Wiesbaden: Harrassowitz 1997 (Ambacher Schriften 9, begründet von Rose-Marie Bonsels). Rezension (digitale Zeitschrift Tanzwissenschaft, H. 8).
Edith von Schrenck: Tanzschule Edith von Schrenck. In: Liesel Freund (Hrsg.): Monographien der Ausbildungsschulen für Tanz und tänzerische Körperbildung. Band I: Berlin [alles Erschienene]. Berlin 1929, S. 49-53 Edith von Schrenck: Tänzerische Bewegungslehre in Verbindung mit Dalcroze-Rhythmik. In: Tanzschule Edith von Schrenck, Berlin [Berlin, ca. 1929], S. 8-9 Edith von Schrenck: Über Tanz. Berliner Tageblatt, [?] Juni 1929 Waldemar Bonsels: Die Tänzerin. In: Die schöne Frau. Eine Monatsschrift. Berlin, Heft 1 / Januar 1926, S. 21-22 Waldemar Bonsels: Edith von Schrenck. Zu ihrem Auftreten am 25. April in der Tonhalle. München (Tageszeitung, kurz vor dem 16.4.1927, undatierter Ausschnitt im Bestand des Deutschen Tanzarchivs Köln; Faksimile davon und Abschrift bei Hübsch-Pfleger, S. 121-124) J.W.F. Werumeus Buning: Edith von Schrenck. In: Ders., Tooneel en dans. Kronieken en kritieken. Maastricht 1925, S. 150-155 J.W.F. Werumeus Buning: Edith von Schrenck. In: Ders., Dansen en danseressen. Amsterdam 1926, S. 35-40 Karl Gustav Grabe: Edith von Schrenck, die Tänzerin der Stille. In: Westermanns Monatshefte, Bd. 146, I; H. 872 v. April 1929, S. 137-140 Thomas Betz: "Du und der Tanz - was andres ist nicht vorhanden". Die Tänzerin Edith von Schrenck und der Schriftsteller Waldemar Bonsels. In: Tanzdrama 44/45, H. 1/1999, S. 50-55
In der Monacensia der Münchener Stadtbibliothek befinden sich im schriftlichen Nachlaß von Waldemar Bonsels (Dauerleihgabe der Waldemar-Bonsels-Stiftung) v.a. etwa 1.000 Blatt Briefe von Edith v. Schrenck an Bonsels, ferner seit Frühjahr 2006 der Restnachlaß Edith v. Schrencks mit Tanz-Photographien, Programmzetteln und Kritiken sowie ein Guß von Georg Kolbes Porträtbüste.
Im Münchner Stadtmuseum befinden sich neben dem sonstigen Nachlaß von Waldemar Bonsels (Dauerleihgabe der Waldemar-Bonsels-Stiftung) im dortigen Fotomuseum eine große Anzahl von Aufnahmen von Waldemar Bonsels und seines Familien- und Freundeskreises.
Im Deutschen Tanzarchiv Köln befinden sich seit Frühjahr 2006 in Absprache mit der Waldemar-Bonsels-Stiftung) nur noch Kopien des o.g. Restnachlasses Edith v. Schrencks und der o.g. Briefe für die Einsichtnahme durch die Forschung, sowie in geringem Umfang eigene Bestände des Deutschen Tanzarchivs Köln zu ihr.
Foto: Else Hege © Deutsches Tanzarchiv Köln
Foto: Kolliner © Deutsches Tanzarchiv Köln
in einem noch nicht identifizierten Tanz.
Foto: Willott © Deutsches Tanzarchiv Köln
. Foto: A. Stiffel © Deutsches Tanzarchiv Köln