Fotografie wird dann für die Bühne interessant, wenn der ureigene Blick des Fotografen und seine ganz persönliche Interpretation des Geschehens in den Bildern sichtbar werden. 

Sasha Waltz

Es war neben der Faszination der Bewegung und der ihr innewohnenden Herausforderungen an die Technik der Fotografie immer auch die Sehnsucht nach der idealen Berührung von Bewegung und Bild, die bereits die Pioniere der Tanzfotografie antrieb, die die Vielfalt der unterschiedlichen Annäherungen der Fotografie an den Tanz begründete und das bis heute faszinierende, facettenreiche Spiel von Möglichkeiten der Abbildung von Bewegung und ihrer Betrachtung am Leben erhielt. Ein Spiel, das vergessen lässt, dass das Festhalten einer Bewegung mit dem Mittel der Fotografie zuallererst den Verlust der unmittelbaren Beziehung der Bewegung zu Raum und Zeit markiert. Und doch gleichzeitig die Illusion des Festhaltens der flüchtigen Bewegung des Tanzes im Moment des Augenblicks suggeriert. Die Fotografie einer Bewegung ist Verlust und Gewinn zugleich. Ein Verlust, weil sie die Dauer einer spezifischen, organischen Bewegung nicht abbilden kann. Die Fotografie fragmentiert den Raum und zersplittert die Zeit. Was bleibt, ist eine Spur reflektierten Lichts auf einer zweidimensionalen Fläche, ein bewahrtes Bruchstück. Die Tanzfotografie kreiert einen erstarrten Moment und ist deshalb zunächst „künstlicher“ als die darstellende Kunst, die sie zwar „abbildet“, von der sie aber lediglich einen Bruchteil festhalten kann. Tanzfotografie zeigt den tanzenden Körper als eine Melange aus Zeit und Licht, als kaum fassbare Bewegung, und sieht sich darin konfrontiert mit der Ambivalenz von Dynamik und Momentaufnahme.

Tanz zu fotografieren heißt im Idealfall, die innere Logik der Bewegung zu vermitteln, nicht unbedingt, indem man sie intellektuell erkennbar macht, sondern vielmehr visuell. Etwas so Einfaches wie das Profil einer Person kann die ganze Dynamik unserer Choreografie vermitteln. Ihr Ausdruck ist direkt – ihre Wirkung wandert vom Auge zum Gehirn.

William Forsythe

Seit dem Aufkommen der Bewegungsfotografie im 20. Jahrhundert entstehen in der Zusammenarbeit von Fotografen mit Tänzern und Choreographen immer wieder Bilder, in denen sich in aufregender Weise der Erfindungsreichtum des zeitgenössischen Tanzes mit den modernen bildnerischen Techniken in der Fotografie verbindet. Das Zusammenwirken von faszinierenden Momenten künstlerischer Bewegung – scheinbar schwerelose Sprünge, schwebende Tänzer, nicht enden wollende Drehungen – mit verschiedenstartigen fotokünstlerischen Perspektiven machen den Tanz im Bild zu einem ganz einzigartigen neuen Medium: dem tänzerischen Bild. Dabei bleiben Bewegung und Fotografie ein Gegensatz. Denn in Wirklichkeit kann die Fotografie Bewegung nicht abbilden – im Gegenteil: sie erfindet Bewegung neu. Damit besitzt die Fotografie die Chance einer ganz eigenen ästhetischen Qualität, die unabhängig von der abgebildeten Bewegung sein kann.

Die Ausstellung „Angehaltene Zeit . Bilder vom Tanz“ umfasst 60 Werke von Andrea Esswein, Dominik Mentzos, Agnès Noltenius, Vanessa Ossa, Joerg Reichardt, Bettina Stöß, Bernd Uhlig, Gert Weigelt und Peter Welz.

Das Deutsche Tanzarchiv Köln/SK Stiftung Kultur, das Goethe-Institut und C/O Berlin haben die vom Deutschen Tanzarchiv Köln konzipierte und gemeinsam mit dem Goethe-Institut realisierte Austellung vom 8. April bis 7. Mai 2006 exklusiv in Deutschland in den Ausstellungsräumen von C/O Berlin vorgestellt. Im Anschluss führt das Goethe-Institut eine Welttournee der Ausstellung durch.

>> Ausstellungsseite "Angehaltene Zeit - Bilder vom Tanz"