Ganz im Sinne eines Archivs, das seinen Nutzern über die Tagesaktualität hinaus Wissen um Tanz, Wissen um gewesene und gegenwärtige Zusammenhänge vermitteln will. Ganz im Sinne eines Museums, das seine Besucher dazu anregen will, immer wieder neu und anders zu erkunden, woraus sich die Faszination der Tanzkunst speist, wie sich das Heute und Gestern des Tanzes gegenseitig beleben und wie das eine mit dem anderen verwoben ist – eines Museums, das seine Besucher dazu anregen will, die Wirklichkeit des Tanzes „mit anderen Augen“ zu sehen: mit Ausstellungen, die ihre Aufgabe darin sehen, das Wesen des Tanzes zum Ausdruck zu bringen.

Das Museum des Deutschen Tanzarchivs Köln stellt sich in seinen Ausstellungen immer wieder grundlegenden Fragen: Was sehen wir, wenn wir Tanz sehen? Was prägt unser Bild vom Tanz? Warum sehen wir Tanz so, wie wir ihn sehen? Fragen, die auch den Besucher anregen wollen, weiter zu fragen und zu forschen, nach Antworten zu suchen. Dies kann man im Archiv, aber auch in den begleitenden Veranstaltungen im Tanzmuseum tun, die das Thema der Ausstellung vertiefen und den Besucher anregen, die Ausstellung danach noch einmal mit anderen Augen zu sehen.


Max LeVerrier, 1920er Jahre


Jeder Mensch hat einen Körper – das verbindet uns. Und doch ist der Körper eines Tänzers etwas Besonderes, unterscheidet er sich. Was bestimmt das körperliche Sein des Tänzers? Wie nehmen wir ihn eigentlich wahr? Welche Vielfalt ist in dieser Wahrnehmung enthalten?

Unser Blick auf diesen Körper ist geprägt von dem kulturell erworbenen Verständnis von Tanz als Körperkunst. Und natürlich auch von den medialen Spiegelungen dieser Kunst: in der Fotografie, der Literatur, der Bildenden Kunst, im Film. Abseits der Bühne lernen wir in Bild und Wort den Tänzer als Künstler und seinen Körper als Fundament seiner Kunst, als immer perfekt trainiertes Instrument kennen und lieben. Unser Bild vom Tänzer und seinem Körper wird von einem Ideal bestimmt.

Die Verbindung von Tanz und Körper ist trotz der vielfältigen Facetten ihrer Beziehung in Geschichte und Gegenwart im Alltag so selbstverständlich und unspektakulär, dass sie uns beim Besuch eines Tanzabends kaum mehr als nachdenkenswert erscheint. Aus diesem Grund stellt das Deutsche Tanzarchiv Köln sie nun in den Mittelpunkt einer Ausstellung.

Die von Thomas Thorausch und Klaus-Jürgen Sembach erdachte Ausstellungsinstallation über Aspekte der Körperlichkeit im Tanz will den Besucher auf eine anregende Spurensuche durch das Dickicht der TänzerKörperBilder schicken. Bilder, Texte, Töne gibt sie dabei dem Betrachter an die Hand und animiert ihn, dabei das Gesehene, Erfahrene, Erinnerte immer wieder zu vergleichen und in einen neuen Kontext zu stellen.

Eine inszenierte Wunderkammer, gegliedert in fünf Abteilungen, öffnet sich dem Besucher und konfrontiert ihn mit Gegensätzlichem, Vertrautem und Unvertrautem, Bekanntem und Unbekanntem: Graphiken mit Tänzerdarstellungen aus dem 17. , 18. und 19. Jahrhundert finden sich neben zeitgenössischen Tänzerportraits und Körperimpressionen, ein Tanzkostüm von Isadora Duncan trifft auf eine Reflektion einer Bildenden Künstlerin über den abwesenden Körper. Populäre Gymnastikbücher der 1920er Jahre stehen neben Schriften des 16. Jahrhundert, die den Tanz und jede Körperlichkeit verdammen. Eine filmdokumentarische Installation mit Aussagen von Tänzern über ihr Verhältnis zu ihrem Körper trifft auf Techniken der Ganzkörperfesselung aus Japan. Ein Auszug eines Textes von Heinrich von Kleist ist in der Ausstellung ebenso wie ein Zitat von Heiner Müller zu lesen, Skulpturen von Tänzerinnen aus den 1930er Jahren sind ebenso wie Musikvideos der 1980er Jahre zu sehen.


Handstudie, abgenommen vom toten Körper der Tänzerin Vera Skoronel

Fritz Cremer, 1932

Thomas Thorausch
Kurator der Ausstellung