Aufbruch in den 1960er Jahren
Laufzeit: 4. Mai 2024 bis 23. Februar 2025

Vergessen? Verklärt? Erinnert!  Die 1960er Jahre sind eine Dekade der tanzästhetischen und tanzpolitischen Aufbrüche in Köln. Inmitten einer Stadt, die noch immer von den Folgen des 2. Weltkriegs gezeichnet ist, entwickelt sich ein beispielloser Gestaltungswille, der Visionen und Träume in kürzester Zeit Realität werden lässt. Zeitgenössisches Statusdenken und kulturpolitische Vision verbünden sich nach der Spielzeit 1958/59 erfolgreich: auf das neuerbaute und 1957 feierlich eröffnete Opernhaus folgen der Neuaufbau des Kölner Tanzensembles unter dem international renommierten Choreographen Aurel von Milloss, die Gründung einer Ausbildungsstätte für Tanz sowie die Übernahme der Internationalen Sommerakademie des Tanzes aus Krefeld. Eine Ballettwoche mit internationalen Tanzgastspielen begeistert die Kölnerinnen und Kölner. Und nicht nur sie! Die Domstadt wird zum Treffpunkt von Tanz- und Ballettliebhabern aus Deutschland und der Welt.

„Eine Metropole des Balletts soll Köln sein!“
Oscar Fritz Schuh | Generalintendant der Kölner Bühnen von 1959-1963




Zwischen Klassik und Experiment, zwischen Bravos und Buh agieren die Ballettleitungen in jenen Jahren. Inspiriert durch die bildende Kunst und in Verbundenheit mit dem Geist der neuen Musik entstehen in der Domstadt eine Fülle neuer Tanzwerke, die beim Publikum die Bereitschaft für das tänzerische Experiment wachsen lassen. Aurel von Milloss (1959-1963), Todd Bolender (1963-1966), Gise Furtwängler (1966-1969) und Peter Appel (1969-1971) verbindet aber auch ein durchaus unkonventionelles Verständnis von Politik für Tanz. Auf jeweils individuelle Weise beziehen sie öffentlich Stellung – zu Fragen der Tanzästhetik aber auch der Kulturpolitik.

Wie visionär die Tanzszene in Köln in jenen Jahren agiert, beweisen die engagierten Diskussionen um ein Deutsches Nationalballett, ein Rhein-Ruhr-Ballett oder ein Deutsches Ballett am Rhein. Doch nicht alle Träume werden Wirklichkeit. Und immer wieder wird erbittert um tanzästhetische Ausrichtungen gestritten – Auseinandersetzungen, die unter den Titeln „Ballettkrieg“ und „Kölner Kritikerkrieg“ in die Tanzgeschichte eingehen. Tanzkünstlerinnen und -künstler, Ballettliebhaber, Theaterintendanten, Ballettkritiker und Kulturpolitiker (in den 1960er Jahren sind diese Positionen in der Tat noch überwiegend männlich besetzt) bilden das Personal des Reigens, in dessen Takt sich das Narrativ der Ausstellung durch die Jahre 1957 – 1971 bewegt. Ein Reigen, der mitunter auch das einschließt, was auf den ersten Blick nicht unmittelbar mit dem Tanz, resp. der Tanzgeschichte verknüpft ist – wie zum Beispiel den Skeptizismus einer jungen Generation gegenüber tradierten Kunst- und Kulturformen und die damit einhergehende Suche nach Alternativen. Ebenso wie die fotografischen Sichtweisen der Fotografin Annelise Löffler auf den architektonischen Aufbruch der Stadt und den Alltag der Kölnerinnen und Kölner in jenen Jahren.

 


Allen Reibungen zum Trotz oder vielleicht gerade deswegen inspiriert Köln junge Nachwuchs­choreographen, die ihre Ideen in Form eines Choreographischen Experimentiertheaters präsentieren oder im Rahmen eines Choreographischen Wettbewerbs der Öffentlichkeit und einer Fachjury vorstellen.

„Im Prinzip habe ich unter lauter Machos gearbeitet. Balanchine, Cranko, de Mille, Béjart, Milloss usw., die sind doch im Prinzip alle Ballettmachos gewesen. Aber dann kam diese 67/68er Zeit, die die eigentliche Befreiung für mich war. Ich war einer der ersten, der sagten: ‚Maestro, es reicht, sagen Sie mir, warum ich das mache.‘“
Johann Kresnik | Tänzer an den Bühnen der Stadt Köln von 1962-1968

Grüne Welle für junge Choreographen! Einsparnotwendigkeiten der Bühnen verhelfen Ende der 1960er Jahre einer jungen Generation von Kölner Choreographen zum Durchbruch. Angesichts einer Finanzkrise der Kölner Bühnen schreiben sich der Generalintendant der Kölner Bühnen und der Kulturdezernent die Tanzmoderne auf ihre Fahnen – allein sie verspricht durch die Reduzierung von Tänzerstellen Einsparungen in der notwendigen Höhe. Das Aus für eine zeitgenössisch-klassische Tanzcompagnie an den Kölner Bühnen ist beschlossen. Den Tod der Schwäne konstatierte die Kölner Presse, während Claus Helmut Drese, Generalintendant der Bühnen dem Tanz in Köln zu neuem Ruhm und Publikumszuspruch verhelfen will.

„Köln hat – wie Sie wissen – die Chance, ein Ballettzentrum zu werden. Es gibt hier die Ballettakademie, es gibt das Tanzarchiv, es gibt die Gesellschaft für künstlerischen Tanz; das sind gute Voraussetzungen für eine große Ballettentwicklung. Ich glaube sie braucht neue Impulse und eine Stärkung der Choreographie. Nach einer apollinischen Phase klassischer Ästhetik warten wir wieder auf das Dionysische, den Rausch des Tanzes aus dem Geist unserer Zeit.“
Auszug aus dem Vortrag „Theater für Köln“, gehalten vom General­intendanten der Kölner Bühnen, Claus Helmut Drese am 28. April 1968



© Alle Fotos Janet Sinica | Deutsches Tanzarchiv Köln

Team der Ausstellung

Konzeption und Realisation der Ausstellung: Thomas Thorausch
Ausstellungsassistenz: Ana González
Film: Christiane Hartter
Mitarbeit: Markus Hoffmann | Dr. Martin Mertens
Technische Einrichtung: Ralf Friedemann
Führungen: Thomas Thorausch | Diana Treder | Smila Vita Hoppe

Archiv und Museum des Tanzes gehen in Köln eine besondere Beziehung ein. Während das Deutsche Tanzarchiv Köln Zeugnisse der Tanzkunst bewahrt, werden im angeschlossenen Tanzmuseum Geschichte und Gegenwart der Tanzkunst in Form von Ausstellungen erlebbar. 

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