„Ballett muss gesehen werden…“ – geschrieben hat dies der Choreograph John Cranko – verinnerlicht hatte es bereits 1958 der 37jährige Fritz Höver, ein Ballettliebhaber, der anderen das ermöglichen wollte, was ihm selbst infolge einer Kriegsverletzung verwehrt geblieben war.
Dem Tanz und der Förderung des choreographischen und tänzerischen Nachwuchses hatte sich Fritz Höver verschrieben. Seine Begeisterung wirkte ansteckend: In Stuttgart, der heimlichen Hauptstadt des Balletts im Deutschland der 1960er Jahre fand er zahlreiche Mitstreiter*innen und tatkräftige Unterstützung.
Die Noverre-Gesellschaft, benannt nach dem Tänzer, Ballettmeister und Tanztheoretiker Jean-Georges Noverre (1727-1810) wurde am 29. Mai 1958 in den Räumen der Stuttgarter Gaststätte „Die Pfanne“ gegründet. 40 „Freunde des Balletts“ hatten sich dort zusammengefunden – nach dem Verlesen der Satzung entschlossen sich 37 Personen spontan, dem zu gründenden Verein beizutreten und wählten Fritz Höver zum Vorsitzenden.
Fritz Höver und die Noverre-Gesellschaft organisierten das, was Nachwuchschoreograph*innen am dringendsten benötigen: eine Bühne und ein Publikum.
Ersteres mit tatkräftiger Unterstützung der Leitung des Stuttgarter Balletts, die Fritz Höver für seine Ideen begeistern konnte. Und auch den Publikumszuspruch überließ er nicht dem Zufall: Mit Vorträgen, Probenbesuchen, Filmpräsentationen und Tanzreisen gelang es ihm, ein tanzbegeistertes Publikum zu entwickeln, das die Nachwuchs-Matineen nicht nur durch ihren Besuch, sondern auch durch Spenden bereicherte.
Die Namen derjenigen, die davon profitierten, lesen sich wie ein Who’s who des Tanzes in Deutschland: John Neumeier, William Forsythe, Jirí Kylián, Uwe Scholz, Christian Spuck, Daniela Kurz, Marco Goecke und viele andere mehr.
Die Noverre-Gesellschaft schrieb Tanzgeschichte. 60 Jahre nach ihrer Gründung beschloss die Gesellschaft ihre Auflösung zum 31. Dezember 2018 – in den Reihen der Mitglieder hatte sich niemand gefunden, der die Vision von Fritz Höver, der am 7. April 2015 im Alter von 93 Jahren gestorben war und Rainer Woihsyk, der seit 2004 die Gesellschaft leitete, fortführen wollte.
Der umfangreiche Filmbestand der Noverre-Gesellschaft ist heute Teil der Filmsammlung des Deutschen Tanzarchivs Köln. Dazu zählen auch von der Noverre-Gesellschaft produzierte Videos, die einen Blick hinter die Kulissen und in den Alltag des Stuttgarter Balletts erlauben.
Thomas Thorausch | Deutsches Tanzarchiv Köln