Robert (Franz Armand Camille) d'Hooghe wurde am 12. November 1903 in Chantilly House in Armagh nahe Belfast, also in Nordirland geboren. Zufällig, muss man wohl sagen, und da er das Land seiner Geburt zwar mit britischen Paß, aber schon im Säuglingsalter wieder verliess, war er einer der sicher wenigen Engländer, die nicht Englisch sprechen gelernt haben. Sein Vater kam aus Belgien und seine Mutter aus Köln, wohin er nach der Trennung der Eltern mit ihr umzog, um dort mit Unterbrechungen bis zum August 1924 zu leben. Nach dem Abitur 1919 begann er dort in der Buchhandlung C. Roemke & Cie eine dreijährige Lehre und arbeitete anschließend im Kunsthaus Lempertz. Daneben hörte er kunstgeschichtliche Vorlesungen an der Univeristät in Bonn.

Robert d'Hooghe in den 1970er Jahren. Robert d'Hooghe in den 1970er Jahren.
Foto ©: Christoph Hess / Deutsches Tanzarchiv Köln
Robert d'Hooghe in den 1970er Jahren.

1924 erhielt Robert d'Hooghe das Angebot, am in Berlin gerade gegründeten Rembrandt Verlag mitzuarbeiten, der Original-Graphik und Mappenwerke zur bildenden Kunst herausgab. Robert d'Hooghe arbeitete dort eng mit Adolf Heilmann zusammen, der für den Verlag zwei Monographien über Käthe Kollwitz und Heinrich Zille verfasste, und lernte hierbei auch die Künstler persönlich kennen, wobei sich mit Zille ein besonders intensiver Kontakt entwickelte. Es folgten im Verlagsprogramm Monographien zu Ernst Barlach, Paula Modersohn-Becker, Wilhelm Lehmbruck, Edvard Munch, Georg Kolbe und Franz Marc. Neben der Tätigkeit für den Verlag setzte d'Hooghe sein kunsthistorisches Studium (bei Max Deri und Wilhelm Pinder) fort. Gelegentlich war er auch für die "Vossische Zeitung", das "Acht-Uhr-Abendblatt" und andere Zeitungen und Zeitschriften als Autor tätig. Als der Rembrandt-Verlag infolge der Wirtschaftskrise in anderen Besitz überging, machte sich Robert d'Hooghe 1931 als Verlags-Agent selbstständig und gab einen Buchdienst heraus.

1937 heiratete er die Buchhändlerin Marianne Wagner und übersiedelte mit ihr nach Darmstadt, wo sie die renommierte Bücherstube von Alfred Bodenheimer erwerben konnten. Sie führten die Bücherstube in seinem Sinn fort, was sich als schwierig erwies, denn bald galten sie als "judenfreundlich", wurden boykottiert, erhielten Anzeigen, wurden überwacht. 1944 wurde die Bücherstube bei einem Bombenangriff auf Darmstadt völlig zerstört.

Im Juli 1947 konnten Robert d'Hooghe und seine Frau Marianne die Bücherstube in einer Ruine wiedereröffnen und an die alte Tradtion mit Vorträgen (beispielsweise von Bernard von Brentano und Georg Hensel) oder Dichterlesungen (unter anderem von Werner Bergengruen) und Ausstellungen anknüpfen. Robert d'Hooghe war gleichzeitig als politisch unbelasteter und mit der modernen Kunst und Literatur vertrauter Kritiker ab 1948 ein gefragter Autor in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und dem "Darmstädter Echo" (bis 1985), und betätigte sich zugleich als Fotograf, auch für Fotozeitschriften. Seine Frau und er trennten sich in dieser Zeit.

Probenszene aus dem "Grünen Tisch" von Kurt Jooss.
Foto ©: Robert d'Hooghe / Deutsches Tanzarchiv Köln

Sie führte die Buchhandlung nun als Alleineigentümerin fort, und er zog ins Rheinland. In der Zeit seiner Lebensgemeinschaft mit der Folkwang-Tänzerin Isa Partsch in Essen-Werden (bis zu seiner Rückkehr nach Darmstadt 1954) sowie noch einmal auf der Internationalen Sommerakademie des Tanzes in Krefeld 1959 hat Robert d'Hooghe auch sehr viel Tanz fotografiert. Es handelt sich vor allem um Probenaufnahmen vom Folkwang-Tanztheater der Stadt Essen / Ballets Jooss, aber auch Rosalia Chladek und bei der Sommerakademie den Unterricht von Dore Hoyer, José de Udaeta, Victor Gsovsky und Lia Schubert betreffend. Sowohl die Veröffentlichung seiner Tanzfotos (z.B. bei "Weg im Nebel... - Ein neues Jooss-Ballett in Essen uraufgeführt" in der FAZ vom 24. Juni 1952), als auch seiner Texte zum Thema Tanz sind noch nicht näher recherchiert und erforscht worden. Hierbei ist auch seine Leidenschaft für die Vermittlung von Literatur zu berücksichtigen; so erschien von ihm am 10. Dezember 1954 im Literaturblatt der FAZ unter der Überschrift "Ballett - flüchtige Kunst auf strengen Regeln" eine ausführliche Würdigung neuer deutscher Ballett-Literatur. Wir machen hier (weiter unten) als Beispiel einen allgemeineren Aufsatz über Tanz aus dem Jahr 1955 neu zugänglich.

Robert d'Hooghe verstarb am 17. Mai 1987 in Darmstadt.

Kurt Jooss in einer Probenpause.
Foto ©: Robert d'Hooghe / Deutsches Tanzarchiv Köln
Dore Hoyer unterrichtet auf der Internationalen Sommerakademie des Tanzes 1959 in Krefeld
Foto ©: Robert d'Hooghe / Deutsches Tanzarchiv Köln

Robert d'Hooghes Hauptnachlass befindet sich im Kunstarchiv Darmstadt. Seine Tanzfotos sind im Deutschen Tanzarchiv Köln aufbewahrt.

Wir danken an dieser Stelle herzlich Margarete d'Hooghe, Claus K. Netuschil, Isa Partsch-Bergsohn und Dr. Hedwig Müller.

Robert d'Hooghe: Über den letzten Federstrich. Feuilletons. Auswahl und Vorwort von Claus K. Netuschil. Archiv Darmstädter Künstler, Darmstadt 1993. ISBN 3-9802087-4-5.

Robert d'Hooghe. Dokumente zu Leben und Werk. Mit Texten von Elisabeth Krimmel, Jürgen Diesner, Georg Hensel, Herbert Nette und Claus K. Netuschil. Archiv Darmstädter Künstler 1993. ISBN 3-9802087-5-3.


Die Mehrzahl der deutschen Theaterbesucher nimmt die Tanzeinlagen in Oper und Operette und die gelegentlichen selbständigen Tanzabende als Gegebenheit hin. Sie sind sich kaum darüber klar, dass der Tanz, wie alle anderen Künste, sich in der Krise des Übergangs vom Überkommenen zum Zukünftigen befindet.

Der Tanz ist die Kunst, die am meisten auf der Tradition aufbaut, aufbauen muss. Sein Material, der menschliche Körper, ist unveränderlich. In jahrhundertelanger Arbeit wurde das klassische Prinzip als Norm entwickelt. Sein Wesen ist Gleichmaß, Gleichgewicht, Hoheit.

Diese Welt strenger Stabilität schien nach dem ersten Weltkrieg von der Woge des neuen Lebensgefühls weggespült zu werden. Der neue „Ausdruckstanz“ eroberte die Bühnen. Er stellte der kunstvoll beherrschten Form die Emotion entgegen, dem Streben zum Idealen die Liebe zum Irdischen, der Leichtigkeit die Schwere. Damit wurden dem Tanz jene vitalen Elemente wieder eingefügt, die der klassische Kodex bewusst ausgemerzt hatte. Der Vorgang war ein Teil jener größeren Bewegung des deutschen Expressionismus.

Klassisch und modern

In der Bühnenpraxis haben sich die Elemente der beiden Stilarten gemischt; heute stehen sich nicht mehr zwei Lager mit klaren Fronten gegenüber, vielmehr kann man die bunteste Skala aller Möglichkeiten zwischen „Klassisch“ und „Modern“ finden. Dem Intendanten ist meist alles andere wichtiger als der Tanz. Bei der allgemeinen Zeitnot, die unseren Theaterbetrieb kennzeichnet, bewältigt sich die Arbeit leichter mit der klassischen Routine. Dazukommt, dass mit der allgemeinen restaurativen Tendenz auch im Tanz das Pendel zurückgeschlagen ist. So sieht man in der Mehrzahl der Fälle die alte Schablone im neuen Dekor. Iphigenie tanzt zur Zwölftonmusik auf Spitze vor einem dünnen Drahtgerüst. Und das Ganze heißt dann „avantgardistisch“.

Verschiedene Versuche wurden unternommen, Grundlagen für einen neuen Bühnentanz zu finden. Auf der im Dezember vergangenen Jahres in Ost-Berlin stattgefundenen Tanzkonferenz stellten die ostdeutschen Vertreter die Forderung nach „zeitnahen Inhalten“, ohne aber die klassische Form selbst in Frage zu stellen. Lediglich der „Formalismus“, die rein dekorative Anwendung, wurde abgelehnt.

Dass die klassische Technik diese Vorrangstellung einnehmen konnte, liegt nicht zuletzt daran, dass der Ausdruckstanz nach seiner revolutionären Phase noch zu keiner allgemeinen Methodik gelangte. Die Möglichkeit dazu hat er so gut wie der klassische. Jetzt wird an der Essener Folkwangschule unter der Leitung von Kurt Jooss daran gearbeitet, diese Grundlagen zu schaffen. Beim diesjährigen Semesterschluss wurden die bisherigen Ergebnisse einem Kreis von Fachleuten, vornehmlich Ballettmeistern und Tanzpädagogen aus West- und Ostdeutschland, vorgeführt.

Auch auf einem Kongress in Hamburg – im Sommer – versuchte man gemeinsame Prinzipien in der Tanzpädagogik herauszuarbeiten.

Bewusst beschränkte man sich auf die Herausarbeitung des Grundmaterials. Gezeigt wurden Ausschnitte aus der täglichen Arbeit der verschiedenen Ausbildungsstufen im Klassischen und in den modernen Disziplinen. Der Vergleich macht sinnfällig, wie sich der Radius der Technik allein in räumlicher Hinsicht erweitert hat. Während die Bewegungsformen des klassischen Tanzes auch im modernen Dekor ihrer Ideen noch gleichsam im Bühnenraum des 18. Jahrhunderts ablaufen, entspringt die Bewegung des modernen Tänzers seinem eigenen Körper-Raum, der ein viel differenzierteres Raum-System darstellt. Abweichend von der Symmetrie des klassischen orientiert sich der moderne Tanz in Schrägen, die sternförmig den Körper durchlaufen und damit eine Vielfalt von Richtungen und Überschneidungen schaffen. Dem klassischen Gleichmaß der Spannung steht der Wechsel des Dynamischen entgegen.

Kurt Jooss wandte in einem einleitenden Referat die aus der Naturwissenschaft bekannten Begriffe „Feldspannung“ und „Kernspannung“ an. Die klassische Balance ist reine Feldspannung; dem Modernen ist das Unbalancierte, Rhythmisch-Fließende eigen, das nicht nur einseitige Betonung, sondern auch gleichzeitiges Gegeneinander verschiedener Spannungen kennt.

Das Ziel der praktischen Demonstrationen war, die Grundbegriffe beider Disziplinen in möglichster Klarheit herauszuarbeiten. Damit werden den Schülern die reinen Farben der Bewegungspalette in die Hand gegeben. Alles andere – die Anwendung in Richtung zum Brillanten oder zum Expressiven – wird der späteren choreographischen Arbeit überlassen.

Arbeit für die Zukunft

Solche pädagogische Bemühung hat einen doppelten Sinn: einmal setzt sie den jungen Tänzer in die Lage, sich den verschiedenen Arbeitsbedingungen an den deutschen Bühnen einzufügen, gleichzeitig soll aber diese Ausbildung das Fundament für die notwendige Regenerierung des Bühnentanzes abgeben.

Der Tanz der Zukunft muss alle Bewegungsmittel kultivieren. Die bisherigen Kontakte zwischen Bühnenleuten und Pädagogen haben gezeigt, wie groß das Verlangen aller Beteiligten nach einem zeitgenössischen Tanzstil ist. Ebenso wenig wie man die Dramen Anouilh’s etwa in Racineschen Versen deklamieren kann, lassen sich die Charaktere moderner Bühnenwerke in einem Tanzstil wiedergeben, der von dem Lebensgefühl einer Zeit geformt wurde, mit der uns fast nichts mehr verbindet – auch wenn dieser Stil längst nicht mehr rein ist. Es wäre ein würdiges Ziel für die noch fehlende deutsche Tanzakademie, die gerade im Tanz so wichtige Überlieferung zu sichern, ohne dabei in einer restaurativen Tendenz stecken zu bleiben und gleichzeitig unablässig an der Weiterbildung des Tanzes im Geist der Gegenwart zu arbeiten.

Erstveröffentlicht in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 25. Juni 1955, anschließend in der „Bühnengenossenschaft“, Jg. 7 / 1955, Nr. 8, S. 220–221.