Er gehört zu denjenigen Künstlern, die (wie zum Beispiel Wolfgang Martin Schede oder Helge Peters Pawlinin) so vielseitig begabt waren, dass sie sich in etlichen künstlerischen Bereichen betätigt haben – und dadurch nicht so bekannt wurden, als wenn sie ein Leben lang nur in einem Metier gearbeitet hätten. Man kennt Malipiero heute noch als Intendanten des „kleinen, aber feinen“ Torturmtheaters in Sommerhausen und zugleich als Regisseur und Schauspieler und Kostümbildner und Bühnenbildner. Während der Großvater Francesco Malipiero Opernkomponist war, sein Vater Luigi Malipiero als Dirigent und Pianist unter anderem in Berlin wirkte und seine älteren Halbbrüder Gian Francesco Malipiero als Komponist und Musikwissenschaftler (er schuf beispielsweise die von Dore Hoyer vertanzten „Masken“ und „Barlumi“) und Riccardo Malipiero als Cellist und Musikpädagoge tätig waren, widmete sich Luigi Malipiero jun. beruflich nicht der Musik: Er zeichnete, malte und formte und ging ans Theater. Und Autor ist er auch noch gewesen.
In der zweiten Hälfte der 1920er und Anfang der 1930er Jahre trat Malipiero vor allem als Buchillustrator in Erscheinung. Mehr als 20 Werke illustrierte er allein in dieser Zeit mit oft etwas skurril-romantischen, zu den Themen passenden Federzeichnungen: E.T.A. Hoffmann, Heinrich Heine, Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Theodor Storm, Gottfried Keller, Honoré de Balzac, Oscar Wilde, Nikolaus Gogol, Wilhelm Hauff, Edgar Allan Poe, Heinrich von Kleist, Joseph Freiherr von Eichendorff, Ludwig Tieck und andere.
Seine Illustrationen zu dem Buch von Alfred Mühr „Die Welt des Schauspielers Werner Krauß. Bekenntnisse und Erlebnisse“ 1927 brachten besondere Anerkennung. Sie vertieften aber auch seine in der Jugend durch einen Stummfilm geprägte Faszination von diesem Schauspieler, die ihn einst zum Zeichnen geführt hatte, geschult – laut biografischen Angaben (August Schmitt) – durch den Berliner Maler Ludwig Meidner. Mit dieser Theaterbegeisterung wird sein Wechsel von der freiberuflichen Malerei zur Bühne verständlich, 1934 als zweiter Bühnen- und Kostümbildner an das Nordmark-Landestheater in Schleswig-Holstein. Ab 1940 nach Berlin zurückgekehrt, ging Malipiero meist als Gastbühnenbildner mit der Staatsoper oder der Ballett-Truppe von Friderica Derra de Moroda auf Tournee.
Im Tanzarchiv ist Malipiero darüber hinaus als Autor eines zweiaktigen Balletts „Prinzessin Turandot“ zur Musik von Gottfried von Einem nachweisbar. Oder mit einer Federzeichnung des tanzenden Harald Kreutzberg (Engel der Verkündigung) 1937 in dessen Nachlass. Leider wurde Malipieros Berliner Atelierwohnung im November 1943 total ausgebombt und damit ein Großteil seines bis dahin geschaffenen Werkes vernichtet. Eine weitere Zeichnung von Kreutzberg (im Tanz des Zeremonienmeisters) von 1935 hat Malipiero im Rasterdruckverfahren vervielfältigen lassen. Im Tanzarchiv befindet sich ein Exemplar des Drucks mit handschriftlicher Widmung „der lieben Maria gewidmet“.
Die Tänzerin Maria Kindscher, die sich in den 1930er Jahren den Bühnennamen Maria Altdorfer zulegte, befand sich im Zentrum eines kulturbegeisterten Berliner Freundes- und Künstlerkreises. Zu ihm zählten unter anderem der Musiker und Maler Ulrich Kessler, der Tänzer und Maler Alexander Kamaroff (Camaro), der Maler und Bühnenbildner Luigi Malipiero, die Tänzerin Liselore Bergmann, der Tänzer und Designer Egon Ehrat, der Arzt Peter Gross und viele andere.
Mit Maria Kindscher verband Malipiero eine besonders große Zuneigung und liebevolle Freundschaft, und ein Porträtgemälde sowie zahlreiche kleine Zeichnungen sind ihr gewidmet. In einer testamentarischen Verfügung vom 30. Dezember 1937, die Malipiero vorsorglich auch mit seinem damaligen amtlichen Namen (seiner Mutter) unterschreibt, vermacht er ihr „alle Zeichnungen, Aquarelle und Gemälde, die in der rechten Ecke den Vermerk ‚für Maria‘ tragen […] Was sie später mit diesen Dingen macht überlasse ich ganz ihr selbst.“ Eine kleine, mit dünnstem Balsaholzfurnier überzogene und mit Leinengelenken ausgestattete Kassette birgt mit Widmung, Weihnachten 1937 aus Schleswig geschickt, "Briefe – Photos – Zeichnungen seiner lieben Maria" und trägt auf dem Deckel unter der Signatur den Titel "Meine Maria".
Luigi Malipiero: Nach Hans Memling, Lübecker Altar, seiner lieben Maria, Silberstiftzeichnung 1938.
© Malipiero Erben / Deutsches Tanzarchiv Köln
Luigi Malipiero: Selbstporträt vor Maria in der Badewanne, Federzeichnung 1937,
Luigi Malipiero: "Meine Maria", Feder- und Tuschpinselzeichnung 1936.
Luigi Malipiero: (Maria als Königin auf dem nach ihr benannten Schiff am Strand von Hiddensee mit zwei Freunden), aquarellierte Federzeichnung 1937.
Luigi Malipiero: "für Maria", Federzeichnung 1937.
Luigi Malipiero: Maria, 30.1.1936. Silberstiftzeichnung "für Peter Gross von Luigi herzlichst Weihnachten 1937".
Luigi Malipiero: "für Maria", Bleistiftzeichnung 1935.
Luigi Malipiero: "für Maria", Bleistiftzeichnung 1936.
Luigi Malipiero: Maria Altdorfer, Bleistiftzeichnung 1936.
Luigi Malipiero: Harald Kreutzberg im Tanz des Zeremonienmeisters. Druck nach einer Federzeichnung von 1935 mit Widmung "der lieben Maria" 1936.
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